Ergebnisse des Verbraucherforum „Motorradlärm“ des Umweltbundesamtes

Ziel des Verbraucherforums war es, das Thema „Motorradlärm“ aus verschiedenen
Blickwinkeln zu betrachten, Akteure und Probleme zu benennen, Lösungsansätze zu
diskutieren und den Dialog zwischen den einzelnen Gruppen zu fördern.
Entsprechend kamen Vertreter von Anwohnern, Motorradfahrern, Umweltverbänden,
Vollzugsbehörden, Industrie, Politik, sowie Wissenschaft und Forschung zu Wort.

1. Problembeschreibung

1.1 Messung von Fahrzeuggeräuschen

Motorräder müssen im Rahmen der Typprüfung wie alle anderen Straßenkraftfahrzeuge
einen Geräuschgrenzwert einhalten. Es sind zwei Arten von Geräuschmessungen
definiert, die Standgeräuschmessung und die Vorbeifahrtmessung. Die Vorbeifahrtmessung ist aufwändig, bildet aber einen Betriebszustand ab, der in der Realität durchaus Geräuschprobleme verursacht. Dagegen ist die Standgeräuschmessung leicht durchführen, bildet jedoch einen Betriebszustand ab, der im Verkehr nur selten Probleme bewirkt. Standgeräusch- und Vorbeifahrtmessung korrelieren nur gering miteinander, so dass aus der Standgeräuschmessung kaum Rückschlüsse auf die Geräuschemissionen im Betrieb gezogen werden können.

1.2 Neufahrzeuge

Neufahrzeuge müssen den Geräuschgrenzwert von 80 dB(A) in der Vorbeifahrtmessung
einhalten. Dies wird auch von den meisten Motorrädern erfüllt – wenn auch oft
nur knapp. Einige Hersteller umgehen die Grenzwerte, z.B. indem das Fahrzeug Typprüfbedingungen
erkennt. Die Leistung wird dann gedrosselt und damit die Geräuschentwicklung
begrenzt. Eine andere Möglichkeit besteht darin, über Klappensysteme
die Geräuschemissionen zu mindern, so lange das Fahrzeug in einem Betriebszustand
ist, der dem in einer Fahrgeräuschmessung ähnelt. Außerhalb dieser
Betriebszustände wird das Motorrad dann mit höheren Geräuschemissionen betrieben.

1.3 Nachrüstmarkt

Für Schalldämpfer hat sich ein breiter Nachrüstmarkt etabliert. Nachrüstschalldämpfer
müssen – wie Motorräder auch – Typen genehmigt sein und im Rahmen der Typprüfung
die Fahrgeräuschgrenzwerte einhalten. Die Typgenehmigung kann in jedem der Unterzeichnerstaaten der UNECE Regelungen 41 und 92 und damit in fast allen EU-Staaten und einigen Nicht-EU-Staaten beantragt werden und ist dann in allen Unterzeichnerstaaten ohne weitere Prüfung gültig. Ein Austausch zwischen den nationalen Genehmigungsbehörden über den Inhalt der Typgenehmigungen (wie bspw. eine technische Beschreibung des Bauteils oder die Beschränkung auf bestimmte Motorradmodelle oder Motorvarianten) findet in der Regel nicht statt, was Kontrollen im Verkehr extrem erschwert bis unmöglich macht.
Der Standgeräuschpegel eines Motorrades ist in den Fahrzeugpapieren eingetragen – er unterliegt keinem Grenzwert. Beim Austausch von Bauteilen kann der neue Standgeräuschwert von einem Sachverständigen gemessen und in den Fahrzeugpapieren vermerkt werden. Es sind Nachrüstschalldämpfer erhältlich, die verschiedene akustische Zustände ermöglichen. So können geräuschmindernde Einsätze („dB-Eater“ oder „dB-Killer“) mit wenig Aufwand herausgenommen werden, obwohl sie für den Betrieb auf öffentlichen Straßen unerlässlich sind; ein Betrieb ohne sie ist illegal. Ebenso sind Schalldämpfer mit Klappensystemen erhältlich, die mechanisch mit wenigen Handgriffen oder elektronisch verstellt werden können – die Umgehung der Grenzwerte ist damit de facto vorgesehen.

1.4 Manipulation durch den Halter

Viele Nachrüstschalldämpfer sind so konstruiert, dass sie leicht zu manipulieren und
zudem die Manipulationen ohne genaue Kenntnis des Bauteiles so gut wie nicht zu erkennen sind. Technische Informationen über den ordnungsgemäßen Zustand liegen auch Kontrollbehörden nur selten vor, da ein Austausch solcher Informationen zwischen den Genehmigungsbehörden der Mitgliedsstaaten der UNECE R41 im Allgemeinen nicht stattfindet.

1.5 Kontrollen

Bei Polizeikontrollen, die zum Ziel haben auffällige Motorräder ‚herauszufiltern’, wird
i.d.R. zunächst geprüft, ob Veränderungen am Fahrzeug vorliegen und ob alle Bauteile
zugelassen sind. Auf Grund der gängigen Zulassungspraxis besitzt auch bei auffälligen Motorrädern jedes Bauteil eine entsprechende Zulassung. Ob diese für das Fahrzeug gültig ist, kann meist nicht geprüft werden. Für eine direkte Kontrolle der Geräusche steht nur die Standgeräuschmessung zur Verfügung, mit der festgestellt werden kann, ob der in den Fahrzeugpapieren vermerkte Standgeräuschwert eingehalten wird. Da dieser jedoch keinem Grenzwert unterliegt, sind hier meist korrekte Werte eingetragen.
Da die Vorbeifahrt- und Standgeräuschmessung nur gering korrelieren, werden nur wenige Motorräder erkannt, deren Fahrgeräusche zu laut sind. Laut den Referenten seien auf diese Weise nur ca. 10%, maximal 30 % der Grenzwertüberschreitungen im Fahrgeräusch nachweisbar. Eine Fahrgeräuschmessung nach UNECE Regelung 41 kann auf Grund der hohen Anforderungen, die Messstrecke und –verfahren stellen, von der Polizei nicht durchgeführt werden. Hierzu müsste das Fahrzeug einem Gutachter vorgeführt werden. Kosten und Aufwand für eine solche Begutachtung stehen allerdings fast nie in einem sinnvollen Verhältnis zum eventuellen Strafmaß, da die Sanktionen für das Betreiben eines zu lauten Motorrades mild sind:
Verschleiß, bzw. Manipulationen, die dem Fahrer nicht direkt nachgewiesen werden
können, werden als geringfügige Ordnungswidrigkeit mit 20€ geahndet. Nachweisbare
Manipulationen werden als bedeutende Ordnungswidrigkeit gesehen, die aufgrund
einer Gesetzeslücke derzeit jedoch nur mit 15 € Geldbuße geahndet wird. Eine Fälschung
von Papieren oder Prüfzeichen wird als Straftat strenger bestraft. Abhilfe könnte hier eine vereinfachte Vorbeifahrtmessung schaffen, die von der Polizei vor Ort durchgeführt werden könnte: Vereinfachte Vorbeifahrtmessung
Da die Vorbeifahrtmessung nach UNECE R41 hohe Anforderungen an Messstrecke
und –bedingungen stellt, wurde von der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) ein
vereinfachtes Verfahren entwickelt, das unter Alltagsbedingungen durchgeführt werden
kann.
Dieses Verfahren ist geeignet, Grenzwertüberschreitungen im Fahrgeräusch mit großer
Treffsicherheit nachzuweisen und kann anstelle der Standgeräuschmessung bei
Verkehrskontrollen angewandt werden. Es ist jedoch bislang nicht in deutsches oder
internationales Recht umgesetzt.

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